Neuaufbau: Mifa Modell 903 von 1987

Okay, ich wollte unbedingt nen Klappi haben. Keine Ahnung, warum, aber es ist ja sowas wie das Signature-Bike von Mifa gewesen. Denkt man an Mifa, denkt man ans Klappi. Denkt man im Osten an Klappi, denkt man an den Hustle, den man hatte, das Ding irgendwo in den Zug zu schleppen und so zu verstauen, dass es nicht bei voller Fahrt aufgeht. Eberhard Jennrich schrieb in seinem Buch „Mein Fahrrad“ von 1987: „Insgesamt: Klappfahrräder lassen sich gut transportieren – sonst bieten sie keine weiteren Vorteile.“ Ein hartes Urteil.

Zuerst hatte ich ein anderes Klappi im Sinn, aber leider war das dann nicht mehr verfügbar. Schade. Dieses fiel mir dann ins Auge und da habe ich nicht lange gezögert. Ja, will ich haben. Her damit. Ein kleiner Fehler, denn der Zustand war alles andere als das, was ich erwartet hatte.

Der Ursprung

Irgendwie habe ich ein Talent, mir ganz spezielle Patienten in die Praxis zu holen, kann das sein? Das als „gut erhalten“ gekennzeichnete Klappi war es jedenfalls nicht in der Form, wie ich es erwartet hatte. Und unter „Klappmechanismus funktioniert“ stellte ich mir auch nicht gerade vor „funktioniert unter dem Einsatz des kompletten Körpereinsatzes eines ausgewachsenen Mannes“. Scheiße.

Rost ist ja mittlerweile obligatorisch, das Licht ging auch nicht. Na ja. Und der Lack war ziemlich runter. Aber: Zum ersten Mal hab ich ein Ostrad in den Fingern gehabt, das nicht noch auf der ersten Bereifung lief. Das Ding hatte schon Schwalbe drauf. Nicht schlecht.

Na ja. Nach dem 207 konnte mich das jetzt allerdings auch nicht mehr schrecken. Also los.

Der Plan

Ich wollte ein neues Klappi. Okay, dann mal los. Was tun?

  • Der Lack musste neu. Klar.
  • Licht musste wieder gehen. Aber da war die Substanz okay. Neu verkabeln war aber das Mindeste.
  • Ein Klapprad braucht Weißwandreifen. Ehrlich. Aber was mit den Rädern machen? Alles neu oder nur neu einspeichen? Nach den Erfahrungen mit dem 207 klare Entscheidung: Einspeichen! Yeah!
  • Alles, was sich am Rad dreht, musste überholt werden, denn alles war festgerostet. Steuersatz, Tretlager, Kette, usw. usf.
  • Der Klappmechanismus musste natürlich wieder funktionieren.
  • Und sonst: Entrosten, entrosten, entrosten.

Also wie immer: Teile recherchieren, bestellen und anbauen.

Der Aufbau

Schritt 1: Fangen wir mal an mit dem Rahmen. Der musste komplett demontiert werden, denn es sollte ja neuer Lack drauf. In einer Stunde waren alle beweglichen Teile ab und nur noch Rahmen, Gabel, Schutzblech und Gepäckträger über. Die sollten neue Farbe bekommen. Aber zuerst musste der Klappmechanismus wieder gehen. WD-40 sollte erst mal lockern und entrosten. Danach ging es schon wieder ganz gut, aber geschmeidig wurde es erst mit etwas Kriechfett und viel Bewegung. Danach ging der Klappmechanismus etwas zu gut, denn im Verlauf des Aufbaus, als die Schnellspanner demontiert waren, kippte mir der Rahmen etwas zu häufig beim Basteln entgegen.

Nach einer Nacht in der Badewanne, wo das fett schön durchwirken konnte, wurden die Teile angeschliffen, abgeklebt und mit Basteldraht hängend aufgeknüpft um zu lackieren. Lackierung dabei Standard: Grundieren, anschleifen, Farbe, Klarlack. Fertig. Das Lichtblau sieht auch fast so aus, wie das Blau der Mifas. Passt.

Schritt 2: Die Kette. Die wollte ich retten, denn die sag nicht allzu durch aus. Aber sie hatte ne fette Patina. Was tun? Eine Kette kriegt man am einfachsten sauber, indem man sie in Waschbenzin einlegt. Fakt. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten. Ein Freund hat mir erzählt, dass er bei der Bahn gelernt hat und da gab es so etwas wie eine übergroße Waschmaschine, in der verschiedene Anbauteile von Waggons von Schmutz und Fett sauber gekocht wurden. Das gleiche Prinzip kann man bei Fahrradteilen anwenden. Ich habe die Kette also, entsprechend eines alten Tipps, einfach sauber gekocht. Wasser, Waschmittel, eine Viertel Stunde köcheln lassen, danach noch etwas mit dem Putzschwamm drüber, ölen. Fertig.

Schritt 3: Der Laufradsatz. Wie beim Mifa Modell 207 habe ich mich dazu entschieden, neu einzuspeichen. Und das gerne selbst zu machen. Also, Speichen bestellen. Die haben vorne eine Länge von 194mm und hinten von 190mm. Die gibt es gar nicht so einfach. Also habe ich beim RadGeber aus Brieselang eingekauft. Mal wieder. Sekunde, jetzt kommt ein kurzer Werbeblock: Wenn man für Osträder Teile braucht, dann bestellt man tatsächlich ziemlich gut dort. Die Preise sind meines Erachtens nach fair, das Sortiment verdammt gut sortiert und die Einträge im Shop sind tatsächlich mit viel Expertise geschrieben, inklusive Einbautipps, Hinweise auf Zubehör, usw. Ich hab mit dem Inhaber Thomas Gitzel schon einige Male hin und her geschrieben. Und manchmal muss er mich für einen unglaublichen Deppen gehalten haben, wenn ich wirklich die dümmste anzunehmende Nachfrage hatte. Aber er hat stets kompetent und zu unglaublichen Zeiten geantwortet. Und ich konnte meine Fragen klären und meine Projekte zu Ende bringen. Leute: Kauft da!

Lange Rede, kurzer Sinn: Beim Radgeber habe ich ein wenig eingekauft, Alpina F1-Speichen wurden es. Kombiniert mit Speichennippeln FG2. Dazu gab es auch noch ein neues 16-Zahn-Ritzel von Renak und einen neuen Sprengring für einen Schnellspanner.  War nen guter Deal.

Also, Räder neu eingespeicht, die Felgen und Naben poliert. Sieht aus wie neu.

Natürlich kamen noch neue Schläuche und neue Reifen dazu. Ins Klappi passen die DV7 von Schwalbe, als Bereifung habe ich Weißwandreifen gewählt: Schwalbe Road Cruiser in der Größe 47-403. Die sehen fantastisch aus.

Danach noch das neue Ritzel drauf und fertig.

Schritt 4: Entrosten. Einige Anbauteile wie der Lenker oder die Sattelstange hatten ordentlich Rost angesetzt. Die habe ich mit viel Zeit und Polierarbeit wieder in Form gebracht. EIne einfache Chrompolitur ind Kombination mit etwas Zauberwatte und alles war wieder schön. Macht das. Erhaltet Originalteile, wenn es möglich ist. Es bleiben ein paar schwarze Sprinkler auf dem Chrom, aber die fallen nicht so auf und sagen am Ende nur: Das Rad ist halt alt. Es sieht schön aus. Dort, wo Entrosten nicht geholfen hat, hab ich ein wenig in die Trickkiste gegriffen: Ein bisschen Metallack aus dem Revell-Bausatz und das Zeug sah aus wie neu.

Schritt 5: Montage. Wir haben alle Einzelteile, daraus muss jetzt wieder ein Rad werden. Das Licht wurde Instand gesetzt, ein neues Kabel hat schon gereicht. Als Ersatz für die Westpedale am Klappi hab ich mir für nen Zehner nen Satz DDR-Pedale gekauft. Die gehören zwar eigentlich an Mopeds, aber irgendwie passen sie auch zum Rad. Lagerware, selbstverständlich.  Neue Bremsschuhe – ja, das ist ein spätes Klappradmodell ohne Stempelbremse, sondern mit Felgenbremse – mussten natürlich auch drauf. Der Rest war Batelarbeit an einem Abend. Habe ich erwähnt, dass ich dazu übergegangen bin, alle Schrauben zu ersetzen? Ich habe mir angewöhnt, vorhandene Schrauben durch Zylinderkopfschrauben mit Innensechskant zu ersetzen. Das funktioniert weitestgehend gut und die Verwendung der Schrauben im Fahrradbau ist mittlerweile Standard. Ich mag es einfach, wenn man nicht zig Schraubendreher braucht, um am Rad etwas zu demontieren. Kauft einfach mal nen Satz M4- und M5-Schrauben unterschiedlicher Längen und ihr werdet keine Probleme mehr haben. Zur Montage gehört natürlich auch, dass man Steuersatz und Lager wieder ordentlich in Position bringt. Also: Fetten! Viel hilft hier viel.

Schritt 6: Die Decals. Ich habe bereits einen gekauften Decal-Satz drauf, der ein Layout aus dem Jahr 1987 reproduziert. Aber: Der Satz ist nicht perfekt. Aktuell warte ich deshalb auf eine Sendung von neuen Decals, die ich selbst reproduziert habe, wo die Logos korrekt wiedergegeben werden. Ja, sowas ist mir wichtig. Das ist also noch der Schritt, den wir machen müssen. Aber sonst ist gut.

Das Ende

Ja, auch diesmal ein ordentlicher Patient. Und trotzdem: Es hat wieder unglaublich viel Spaß gemacht, das Rad in Stand zu setzen. Die Probefahrt steht noch aus. Ich habe in Kauf und Aufbereitung etwa 150 Euro und 20 Arbeitsstunden investiert. Und jetzt? Hab ich nen Klappi. Ich denke, ich werde mit dem neu aufgebauten Modell 903 demnächst mal den Arbeitsweg bestreiten. Das heißt: Ab zum Zug, dort weiter nach Berlin und dann schauen wir uns mal das Büro an. Style hat das gute Stück ja jetzt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert